Im Februar 2024 war es endlich wieder soweit, die langersehnte Reise nach Kenia sollte starten. Allerdings gestaltete sich dank des Verdi Streiks der Reisebeginn ziemlich chaotisch, kurzfristig wurde der gebuchte Flug alternativlos abgesagt, aber am Ende ging es dann mit zwei Tagen Verspätung und gefühlt 36 Stunden in Lufthansa/Ethopian Airlines hotlines los.
Im Gepäck unzählige Spenden für die Loolepo Community, Kleidung/Schuhe/Rücksacke/ Handys und 240 Bälle für die Kinder. Es war einfach fantastisch, Arbeitskollegen, Freunde und Paten hatten so viele Dinge zusammengetragen und mir mitgegeben, dass insgesamt über ca. 120 kg Spendengepäck zusammengekommen sind.
In diesem Jahr war die Fahrt von Loitokitok nach Loolepo anders als zuvor, der Busch war grün, grüner denn je zuvor, als Ergebnis der ungewöhnlich heftigen Regenfälle im Januar. Landschaftlich fühlte sich das sehr fremd an, bis auf den atemberaubenden Blick auf den Kili, denn bisher kannte ich nur extreme Trockenheit und roten Staub auf dem Weg nach Loolepo. . Gut, der rote Staub war auch wieder da, denn die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, es war deutlich heißer als sonst, eine absolute Herausforderung, selbst die Einheimischen beklagten sich.
Nach knapp dreistündiger Fahrt war der Empfang bei den Masai in Loolepo unbeschreiblich schön, gefühlt war es wieder, wie nach Hause kommen. Die Freude über ein Wiedersehen war beiderseits riesengroß, es wurde gesungen, gelacht, getanzt, gebetet. Jede Klasse hatte eine kleine Präsentation vorbereitet, ebenso wurden unzählige Reden gehalten, ich bekam Geschenke, bevor dann hochoffiziell der Kindergarten und Spielplatz eingeweiht wurden. Die Kinder haben so eine Freude auf dem Spielplatz. Nach der Schule wollen sie am liebsten gar nicht mehr nach Hause gehen.
Abends konnte ich dann meine Boma beziehen.
Es folgten unvergessliche Tage des Zusammenseins mit den Masai. Jeden Tag waren unzählige Besucher da, wir haben gemeinsam Tee getrunken, geredet und viel gelacht. Für die Masai, insbesondere die Frauen, war es ein absoluter Ausnahmezustand, sie haben sich soviel Zeit für mich genommen, wollten mich am liebsten gar nicht allein lassen, alle dachten ich fürchte mich allein in der Wildnis, insbesondere nachts. Dabei waren immer Hunde um mich herum , allein war ich nie.
Am Tag nach meiner Ankunft wurden die Reste des Rinds verarbeitet, das ist allerdings alleinig den Männern vorbehalten. Etwas abseits auf dem Schulgelände wurde diese spezielle Ritual vollzogen. Ich wurde eingeladen, um zuzuschauen und Fotos zu machen. Voller Stolz zeigten sie mir, wie das Fleisch und die Suppe zubereitet werden. Beim Rühren der Suppe (mit vielen Kräutern zur Unterstützung der Manneskraft) gibt es eine Art Competition, wieder und wieder wird mit einer Art Quirl in die Suppe gestampft und der Quirl schnell gedreht, um so viel Schaum wie möglich zu erzeugen. Mit Abstand der beste Mann war der Chairman der Schule. Kochend heiß wurde die Suppe dann an Alle verteilt, aber auch hier wurde eine ganz bestimmte Reihenfolge eingehalten (Alter/Rang).
An einem anderen Tag hatten die Masai großes Interesse daran, die mitgebrachten Spiele (Memory und Puzzle) kennenzulernen. Noch nie zuvor hatten die Masai ein Tischspiel gespielt. Die Begeisterung war unermesslich groß, ebenso der Ehrgeiz. Es hat eine Weile gedauert, bis verstanden wurde, wie ein Puzzle zusammengesetzt wird und auf was man achten muss. Aber als erstmal der Knoten geplatzt war, hörten die Masai nicht mehr auf zu spielen. Ebenso verhielt es sich mit dem Memory Spiel. Jeden Tag waren wieder andere Masai da, um es zu erlernen. Allein das Zuschauen hat mir so viel Freude bereitet. Die Masai sind wahre Spielernaturen, aber definitiv hatten die Männer mehr Geduld als die Frauen. Die Schulkinder taten sich eher schwer. Ich wurde gebeten, das nächste Mal mehr Spiele mitzubringen, was ich sehr gern tun werde.
An einem anderen Tag wurden in der Schule die Sachspenden verteilt, größtes Highlight waren natürlich die Bälle. (Das Aufblasen war nicht so einfach, da half auch nicht der Kräftetrank vom Vortag :-)). Die Kinder besitzen keine Spielzeuge, darum war das etwas ganz besonderes. Die Klassenbesten haben jeweils einen Rucksack bekommen und jedes Kind hat ein Kleidungsstück erhalten. Aber auch für die Erwachsenen war das ein oder andere schöne Teil dabei. Voller Stolz wurden die Sachen getragen.
Der Subchief fragte mich bei einem unserer Treffen, ob ich bereit wäre, ein kleines Fest auszurichten, sprich, eine Ziege sollte geschlachtet werden. Ich willigte ein, jedoch bat ich darum, dass ich die Konditionen festlegen darf, nämlich, dass Frauen und Männer gemeinsam feiern und das Essen (Fleisch) geteilt wird. Der Subchief war ziemlich überrascht und benötigte etwas Bedenkzeit, denn mein Vorschlag war ein Bruch einer tiefverwurzelten Tradition. Aber, er willigte ein und der Jubel seitens der Frauen war unermesslich groß. Die Vorbereitungen liefen daraufhin auf Hochtouren. Am Morgen des Festes wurden die Lebensmittel besorgt, Lieferung per Motorrad (auch die Ziege, festgeschnallt auf dem Rücken des Fahrers. In meiner Abwesenheit wurde in einer schattigen Ecke des Krals die Ziege geschlachtet. Überall loderten die Feuerstellen für die Zubereitung des Essens. Es mussten kiloweise Kartoffeln geschält werden, drei Frauen saßen im Schatten eines Baumes und widmeten sich dem Schälen, als einige ältere Männer sich zu ihnen gesellten und zuschauten. Aus Spaß sagte ich ihnen, dass ich noch mehr Messer habe und sie gern mithelfen könnten, worauf sie entgegneten, ich solle sie bringen, was ich tat. An diesem Tag wurde „Geschichte“ in dieser Community geschrieben. Männer, die noch niemals eine Kartoffel in der Hand gehalten haben, schälten diese nun. Die Masaifrauen trauten ihren Augen nicht, bald schon hatte es die Runde gemacht und immer mehr Männer kamen und wollten helfen.
Der Tag fand seinen krönenden Abschluss beim gemeinsamen Essen, alle waren begeistert, die Frauen haben am Ende getanzt und gesungen, bis wir später alle gemeinsam am Feuer unter dem atemberaubenden Sternenhimmel Afrikas saßen und den Tag Revue passieren ließen.
Wir haben in diesen Tagen oft darüber gesprochen, welch hartes Leben die Frauen haben für das sie keinerlei Anerkennung bekommen. Holz holen, Wasser schleppen, Hütten bauen, Gemüse anbauen, unzählige Kinder bekommen und erziehen, Kochen, Waschen…um dann am Ende des Tages vom Ehemann geschlagen zu werden. Das ist die Realität im Leben der Frauen, es flossen viele Tränen bei den Erzählungen. Ich wurde gefragt, wie wir in Europa leben, wie Beziehungen geführt werden, ich sollte es immer wieder erzählen, die Frauen wollten unbedingt, dass die Männer das hören.
Die Männer gaben sich an den folgenden Tagen Mühe, Aufgaben wie Tee einschenken, Tassen wegbringen, den Tisch abwischen, Wasser holen etc. zu übernehmen, allerdings immer mit dem augenzwinkerndem Hinweis, dass das nicht anhaltend sein wird. Die Männer fragten mich auch, warum ich mich viel mehr für die Frauen einsetze und immer Geschenke für die Frauen mitbringe. Sie können nicht verstehen, warum ich als Frau ihre Haltung gegenüber den Ehefrauen abscheulich finde, denn sie kennen es nicht anders, seit Generationen werden Frauen wie Sklaven dort behandelt, sie haben keine Rechte, ihr Leben besteht nur aus Pflichten.
Ich hoffe einfach, dass die jüngere Generation der Masai irgendwann umdenken wird, einzelne Beispiele gibt es jetzt schon und immerhin werden die Mädchen in dieser Community nicht mehr zur Beschneidung gezwungen.
An einem der Tage sind wir in den Busch gegangen, haben einige Frauen Zuhause besucht und wurden auf dem Weg von einem kurzen, gewaltigen Regenschauer überrascht. Notgedrungen sind wir alle in einer Hütte untergekommen, die auf dem Weg lag. Dann haben wir uns auch die Bauruine „Dispensary“ angeschaut, die nicht unweit neben der Schule liegt, was im Anschluss zur erneuten Kontaktaufnahme mit dem zuständigen MCA meinerseits geführt und zur Folge hatte, dass der Bau im März wieder aufgenommen wurde.
Auf dem Rückweg hat mein Manager Mark mich zurück an die Küste begleitet, es war seine allererste Reise. Er konnte nicht fassen, welche Tortur es jedes Mal für mich ist, nach Loolepo zu gelangen (wir waren fast 20 Stunden unterwegs). Er war schon nach ¼ der Reise so erschöpft, dass er eingeschlafen ist. Die unerträgliche Hitze an der Küste hat ihm dann genauso zu schaffen gemacht wie mir, im Vorfeld wollte er mir immer nicht glauben, dass das Klima am indischen Ozean ganz anders ist als am Fußes des Kilimandjaro und hatte natürlich nicht die geeignete Kleidung im Gepäck. Wir haben ein paar unvergessliche Tage an der Küste verbracht, Marks Erstaunen über den Ozean, im Pool zu schwimmen, war so unermesslich groß. Ich glaube, er hat die gemeinsamen Tage in vollen Zügen genossen und ist ebenfalls mit vielen neuen Eindrücken nach Loolepo zurückgekehrt.
Leider ging die Zeit viel zu schnell vorbei, was bleibt, sind die vielen schönen Erinnerungen und die Vorfreude auf meine nächste Reise nach Kenia. Kwaheri 2025!