Nachdem wir nun seit zwei Wochen wieder zu Hause im geordneten Deutschland sind, alle Koffer ausgepackt und erste Urlaubsbilder sortiert sind, wird es Zeit unsere Eindrücke und Gedanken zu unserer Kenia-Reise festzuhalten. Wir blicken zurück auf einen zweiwöchigen Urlaub, knapp unterhalb des Äquators, in einem Land mit vielen Extremen, das dann, wenn man es unmittelbar live erlebt, trotz unserer allgemeinen Medienaufgeklärtheit, noch viel Überraschendes zu bieten hat. An der Küste zeigt sich Kenia als ein Land, mit einem ausgesprochen angenehmen Klima, sommerlich warm, aber nicht zu heiß, es geht ständig ein angenehmer Wind, der nie zu kalt wird. Der großzügige, weiße Sandstrand in Diani Beach mit Palmen und türkisblauem Wasser gehört zu Recht zu den schönsten Stränden der Welt.
Dank der intensiven Begleitung von Ina per WhatsApp hatten wir die Chance, ihre über Jahre aufgebauten Kontakte zu kenianischen Freunden zu nutzen und erlebten damit intensive Begegnungen mit Kenianern, die sonst für einen Touristenbesuch eher ungewöhnlich sind.
Mit fünf zusätzlichen zu unserem Urlaubsgepäck vorbereiteten Koffern verließen wir am vierten Urlaubstag das Hotel, um die Schule unseres Vereins zu besuchen. Außer Patengeschenken hatten wir gebrauchte Kinderkleider und Schuhe in allen Größen in den letzten Wochen zusammengesammelt. Wie verabredet wurden wir dann vormittags vor dem Hotel von der sympathischen Lehrerin Franzisca in Empfang genommen und fuhren nun in zwei Tuktuks zu sechst mit den Koffern bis zur Schule. Bereits am Schultor wurden wir mit Tanz und Gesang von den Schülern herzlich empfangen. Wir hatten nicht damit gerechnet, so freudig erwartet zu werden.
Das von einer Mauer umgebene Schulgelände besteht aus zwei Mal vier Klassenräumen für die PrimarySchool und dem kleinen Hauptgebäude mit Headmaster-Room und Räumen für die PreSchool-Kinder.
Es war leicht mit Schülern und Lehrern ins Gespräch zu kommen, gerne wollten sie auch fotografiert werden und ich war sehr dankbar, dass ich diesen Tag gemeinsam mit meinem Mann und unseren drei Kinder erleben konnte. Denn alleine wäre ich mit Eindrücken sammeln, fotografieren, Koffer auspacken und Gespräche führen gnadenlos überfordert gewesen.
Unter Mithilfe einiger Lehrerinnen waren die Kofferinhalte rasch nach Größen sortiert, so dass nun die Schüler klassenweise einzelne für sie passende Stücke bekamen. Die von mir befürchteten Streitereien und Gedränge um die schönsten Kleidungsstücke blieben gänzlich aus. Zu meiner Überraschung zeichneten sich sowohl die kleinen als auch großen Schüler durch Geduld und Zurückhaltung aus. Auch während der nächsten Stunden konnte ich unter den Kinder ein ausgesprochen freundliches Miteinander beobachten.
Der Schulhof und die unbefestigten Böden der Klassenräume waren im trockenen Zustand sehr staubig. Umso mehr überraschte es mich, in den Stapeln sehr ordentlich geführter Schulhefte keinerlei Flecken oder Verunreinigungen zu finden. Selbst im ersten Schuljahr hatten sämtliche Schüler ein bereits gleichmäßiges, schönes Schriftbild. Ich fragt mich, wie man Schüler motivieren kann, so zu arbeiten… Die wenigen Schulbücher, die vorhanden waren, ließen allerdings erkennen, dass bereits viele Schülergenerationen in ihnen gelesen hatten. In der Schule wird sowohl kisuaheli als auch englisch gesprochen. Weitere Unterrichtsinhalte (Naturwissenschaften, Religion, Gesellschaftswissenschaften) waren teilweise den Lehrplänen unserer Kinder ähnlich.
Unser jüngster Sohn beobachtete wie auf dem Schulgelände unter freiem Himmel das Mittagessen aus Reis und Erbsen zubereitet wurde: „Mit ein paar Ästen wurde ein Feuerchen gemacht auf dem ein großer Kessel, wie bei Miraculix (aus „Asterix“) gestellt wurde, in dem dann Reis kochte. Anschließend bekam eine Klasse nach der anderen, die kleineren zuerst, in Tellern das Essen ausgeteilt, das dann mit den bloßen Fingern, irgendwo auf dem Schulgelände sitzend, gegessen wurde. Die große, schwarze Wassertonne mit zwei Trinkbechern, war das Trinkwasser an dem sich alle bedienen konnten. Das Wasser einer zweiten Tonne wurde zum Händewaschen genutzt.
In der weiteren Mittagspause spielten die Kinder fröhlich: Die Mädchen hüpften auf in den Staub gezeichneten Hüpfekästchen, die Jungen schwangen wild an dem schaukellosen Schaukelgerüst (manchmal fünf Kinder nebeneinander), einigen Kinder sangen spontan, die größeren unterhielten sich. Als unser jüngster Sohn sich kurzerhand im Klimmzug an dem Schaukelbalken hochzog um dann anschließend in den Kniekehlen zu baumeln, versuchten einige Jungs begeistert es ihm sofort nachzumachen.
Auf Inas Empfehlung hin brachten wir für alle Schüler Bananen mit, die zuvor von der Obstfrau Mama Lucy angeliefert wurden. Fröhlich verspeisten wir dann zusammen die Bananen, die zwar von außen nicht so perfekt wie in Deutschland gewohnt aussahen, dafür aber deutlich mehr Geschmack hatten!
Als dann fünf hohe Lehnenstühle auf der kleinen Grünfläche für uns hingestellt wurden und alle Kinder sich vor ihren Klassenräumen aufstellten, ahnten wir, dass uns noch etwas erwartete. Es folgte eine für uns vorbereitete Präsentation aus Tanz, Gesang und Gedichten der verschiedenen Klassen, die uns beeindruckte und sehr gerührt hat. Einige Texte waren in kisuaheli, aber die englischen konnten wir gut verstehen: „Education, education is the key of life!!” Mich beschlich die Ahnung, dass diese Kinder den Sinn dieser Worte besser verstanden haben, als mancher deutscher Schüler. Spätestens dann, als einer nach dem anderen von uns zum Mittanzen aufgefordert wurde, wurden wir Bestandteil der afrikanischen Lebensfreude….
Als wir später die Schule mit Eindrücken gefüllt wieder verließen, hatte ich außer der Anrührung auch das Gefühl, diese Kinder wegen ihrer schwierigen Lernumstände bedauern zu müssen. Dieses änderte sich jedoch am Folgetag, als wir etliche Schüler dieser Schule in ihrem Zuhause wiedersahen. Jetzt verstand ich, dass für diese Kinder, die ohne finanzielle Unterstützung durch die Patenschaften nicht zur Schule gehen könnten, die Möglichkeit zum Schulbesuch, ein Riesenglück darstellt. Dies erklärte mir dann auch meinen Eindruck, dass sie mit besonders großer Motivation und Wertschätzung für Bildung in der Schule arbeiten. [Leider gibt es allein in Duruma Village noch 15 Kinder, die nicht zur Schule gehen können, da es ihnen keiner bezahlen kann.]
Seinen Gesamteindruck von dem Schulbesuch beschrieb einer unserer Söhne so: „Irgendwie war das, was wir in der Schule gesehen haben, total traurig, aber da alle soviel lachten, war es dann doch irgendwie total fröhlich!!!“
Besuch im Duruma Village
Mit Papa Orenge, Vater einer der ersten Patenschülerinnen, die mittlerweile erfolgreich zur University geht, fuhren wir gemeinsam zu seinem Heimatdorf. Nach 15-minütiger Tuktuk-Fahrt über Feldwege ins Landesinnere erreichen wir zwischen kleinen Maisfeldern gelegen seine Lehmhütte. Freundlich wurden wir von seiner Frau Alice und der restlichen Großfamilie empfangen.
Sie führten uns durch das Duruma Village, eine Ansammlung von Lehmhütten für etwa 200 Menschen, darunter viele Kinder. Es gibt hier weder einen Wasseranschluss noch Strom. Somit gibt es ab 18.30 Uhr, wenn die Sonne untergeht, außer ein paar Petroleum-Lämpchen kein Licht mehr. Wir haben verstanden, dass sie auf dem Land, auf dem sie leben, nur geduldet sind. Der Eigentümer könnte jederzeit ihre Hütte abreißen und sie verjagen.
Alle Menschen, denen wir dort begegnet sind, waren äußerst freundlich und zuvorkommend. Wir haben viele fröhlich spielende Kinder gesehen, frisch gewaschene Schulkleidung auf der Wäscheleine und wir wurden auch in die Häuser gebeten…. Manches war wie irreal für uns, wir sahen die Bilder, die wir sonst nur aus dem Fernsehen kennen….
Wir sehen, dass das in Bildung investierte Geld am meisten Früchte trägt. Ein Großteil dieser Kinder könnte ohne Patenschaft überhaupt nicht zur Schule gehen. Liebe Ina, dass sie nun Schüler sind, ist dein größter Verdienst. Trotz der ungleich verteilten Chancen sehen wir, wie gerade die Kinder relativ unbeschwert und natürlich damit umgehen können. Es bleibt zu hoffen, dass unser Verein auch für die Kinder, die noch dringend einen Paten brauchen, um zur Schule gehen zu können, schnellstmöglich einen Paten findet.
Was aber unabhängig vom Geld besteht, ist die Würde des Menschen. Allen Menschen diese Achtung entgegenzubringen, ist auch für uns ein hohes Erziehungsziel.
Meike Berghausen